Im Wonnemonat Mai dreht die Natur so richtig auf. Bei einer Wanderung am Usedomer Achterwasser kann man sich davon überzeugen und viel für die Gesundheit tun.
Der Mai ist gekommen …
Ein guter Freund von mir ist Musikprofessor, Historiker, Sprachkundler und verfügt über ein ausgezeichnetes Allgemeinwissen. Okay, manchmal kann er auch ein wenig mit seinem Wissen nerven. Beispielsweise, als ich letztens einen Ohrwurm hatte und ständig diese Lied leise vor mich hinsummte. Nicht lauter als eine Biene, allenfalls eine Hummel. Aber laut genug für ihn auf unserer Wanderung am Usedomer Achterwasser bei Koserow. Natürlich kannte er das kleine Lied. Dafür musste man nicht unbedingt Musikprofessor sein. Wohl nahezu jeder Deutsche kennt die Melodie, viele sogar zumindest die ersten beiden Zeilen: „Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus.“
Er stimmte nicht nur lauthals mit ein. Mein Kumpel kam sogar bis zur sechsten Strophe:
„O Wandern, o wandern, du freie Burschenlust …“
Ich weiß beim besten Willen nicht, wie er sich das alles merken kann. Unbekannt für mich als begeisterter Wanderer war aber, dass das deutsche Frühlingsgedicht in der Vertonung von Justus Wilhelm Lyra aus dem Jahr 1842 auch als Wanderlied populär wurde.
Aus Weidemonat wird Wonnemonat
Wenn ich schon neben einem lebenden Lexikon wanderte, so wollte ich von seinem Wissen auch profitieren. Doch als ich von meinem langjährigen Freund wissen wollte, woher der Mai seinen Namenszusatz hatte, überraschte er mich erneut. Der Begriff Wonnemonat wurde demnach bereits im 8. Jahrhundert von keinem geringeren als Karl dem Großen eingeführt. Doch mit Wonne, also gesteigerter Freude, habe das alles nichts zu tun, sondern vielmehr mit „Weide“. Wonnemonat leite sich nämlich ab vom althochdeutschen Wort „wunnimanot“, was Weidemonat bedeute. Und genau das sei der Mai vor jeher gewesen. Der Monat, in dem das Vieh auf die Weide getrieben werden konnte.
Ja, manchmal konnte mein Freund auch ein richtiger Besserwisser sein. Oder eben „ein kleiner Klugscheißer“, wie seine Ehefrau ihn manchmal auch liebevoll nannte.
Die Natur erwacht auf Usedom
Ich gehe eine Weile schweigend neben ihm her. Mein Blick schwappt von dem in der schon kräftigen Frühlingssonne silbrig glänzenden Achterwasser zu den saftigen Weideflächen. Oder sollte ich mit dem neu erworbenen Wissen jetzt lieber althochdeutsch von „Wunni-Flächen“ sprechen? Egal. Offensichtlich sind wir nicht die einzigen Lebewesen, die die Sonnenstrahlen genießen, stelle ich fest. Milchkühe liegen auf den saftigen Wiesen und lassen es sich sichtlich gut gehen. Auch die einzelnen Krähen stören sie nicht. Von dem Greifvogel, der zwischen Schilf und Wiese hoch oben sein Kreise dreht, droht ebenfalls keine Gefahr. Im Wassergraben zieht ein Entenpärchen seine Bahnen. Dann erkenne ich sogar ihr Nest, gut versteckt im Schilf. Bestimmt dauert es nicht mehr lange, bis es auch im Hause des Stockentenpärchens Nachwuchs gibt. Jetzt ist eigentlich Brutzeit, denke ich mir. Ende Mai werden die beiden vielleicht vier oder fünf flauschige Küken im Schlepptau haben. Anas platyrhynchos, also Stockenten, brüten etwa 28 Tage. Ja, Natur finde ich als Biologe sogar noch einen Tick interessanter als die Herleitung von Begriffen, stelle ich fest.
Sonne und Glückshormone
Kurz vor Zempin erreichen wir eine Holzbank am Achterwasser, die zum Ausruhen einlädt. Wir müssen uns nicht lange bitten lassen. Schließlich haben wir seit unserem Aufbruch heute morgen schon etliche Kilometer in den Beinen. Zu dieser Jahreszeit haben wir den idyllischen Wanderweg am Achterwasser ganz für uns allein. Nur selten begegnen wir anderen Wanderern oder Radfahrern.
Kurzentschlossen ziehe ich mein T-Shirt aus, um etwas für meine Vitamin D-Produktion zu tun. Das ist wichtig für das Immunsystem, den Knochenaufbau, die Zähne und Muskeln. Zudem wirkt Vitamin D präventiv gegen Osteoporose und sogar Krebs. Und das Beste daran ist, dass Vitamin D von der Haut sogar selbst gebildet werden kann. Aber nur bei ausreichender Sonneneinstrahlung und nur wenn diese großflächig auf ungeschützte Haut trifft. Trotzdem oder genau deswegen sind viele Menschen in Deutschland diesbezüglich unterversorgt.
Sehr schade, denke ich mir, dass es nicht viel mehr Menschen nach draußen in die Natur zieht.
Denn nicht nur die Produktion von Vitamin D wird durch die Sonne im Mai angeregt. Sonnenlicht bewirkt auch, dass unser Körper vermehrt sogenannte Endorphine ausschüttet. Zu diesen Glückshormonen gehört beispielsweise das Hormon Serotonin. Dieser Botenstoff ist ebenfalls für viele Vorgänge im menschlichen Körper zuständig. Es verbessert das Wohlbefinden, reguliert und vertreibt depressive Verstimmungen und Ängste.
Ich genieße mit halb geschlossenen Augen die Sonne und schmunzele vor mich hin. Mein Kumpel neben mir schaut mich fragend an. Ich muss lachen. Denn er weiß womöglich eben so wenig wie Karl der Große, dass der Monat Mai doch viel mit Wonne, Freude und Wohlfühlen zu tun hat.